Mich beschäftigt die Frage, welches das ideale Fahrrad ist, um weite Distanzen zu bewältigen. Im Selbstversuch kombiniere ich verschiedene Rahmen und Komponenten auf verschiedenen Distanzen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Aber man spürt: da gibt es mehr. Mit Technik und Kondition allein lässt sich keine gelungene Radreise machen. Bald schon entdeckt man einen zweiten Weg, den der inneren Reise. Ab dem Moment verlässt man den Mainstream und geht eigene Wege. Im idealen Reiserad manifestieren sich die Erkenntnisse.
Auf meinem Weg zum idealen Fahrrad begegnen mir interessante Menschen die auf eigenen Wegen zu ihrem Fahrrad finden. Diesmal Dominik, den ich für tweedride.at interviewt habe:
tweedride.at: Dominik, Du hast Dir letztes Jahr einen Maßrahmen selbst gebaut der seit zwei Monaten fertig ist. Für viele Fahrrad-Freunde ist das ein lang gehegter Traum. Gründe gibt es viele das zu tun, was waren Deine?
Dominik: Dem Projekt ging gar kein so lang gehegter Traum vorweg. Ich hab mich In den letzten Jahren einfach ausgiebig mit dem Thema „Fahrrad“ auseinandergesetzt – ob beruflich als Verkäufer in einem Fahrradgeschäft oder im Studium. Das Thema fasziniert mich und dass ich Fahrräder zur alltäglichen Fortbewegung, als Sportgerät und Reisegefährt verwende, muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen.
Das Rahmenbau-Seminar war der logische nächste Schritt noch tiefer in die Materie einzutauchen und weitere Aspekte kennen zu lernen. Es ging mir um ein Verständnis für Geometrie und ich hatte irrsinnige Lust mich handwerklich zu betätigen.
TRV: Kannst Du uns etwas über den Rahmenbauer erzählen?
D: Röbi (Stolz) baut seit knapp 30 Jahren Fahrräder in Zürich und hat somit extrem viel Know-how über Jahre hinweg angesammelt. Stefan (Bellini) kommt aus der Metallverarbeitung und beherrscht den Umgang mit Stahl. Sympathisch bei den beiden war mir von Anfang an, dass sie mir die Angst vor dem „Selbermachen“ nahmen – als Laie hatte ich Sorge etwas falsch zu machen. Erst mit der Zeit habe ich ein Verständnis für das Handwerk bekommen und gemerkt wie schön es ist am Ende auch zu sehen, dass man selbst am Werk war. Es ging nie darum ein perfektes Rad zu bauen sondern ein eigenes.
Die beiden verfolgen also einen sehr bodenständig Zugang und kombinieren Funktionalität mit klarem Design auf hohem handwerklichen Niveau anstatt Fahrräder hochzustilisieren und unterschiedlichen Trends hinterher zu laufen.
TRV: Wie hast Du Dich auf die Planung vorbereitet, oder mit welchen Vorstellungen hast Du mit der Planung begonnen?
D: Meine ersten Überlegungen machte ich bei der letzten Radreise mit meiner Lebensgefährtin – während ich auf meinem sportlichen Randonneur v.a. die Fahrbahn vor mir sah, saß sie aufrechter auf ihrem Rad und konnte die Umgebung viel besser wahrnehmen und genießen. Es ist schon amüsant, je länger ich Fahrrad fahre desto mehr erkenne ich, dass ich jahrelang teilweise idiotischen Vorstellungen hinterhergelaufen bin. Anstatt darauf zu achten, dass ich mich rund um wohl fühle habe ich so manches für die Prämisse „schneller/weiter/leichter“ geopfert. Das neue Rad sollte mir also zu einer neuen Perspektiven verhelfen – es gibt viel zu entdecken, wenn man nur über den eigenen Sattelrand blickt.
TRV: War Dir schon bei der Skizze klar, welche Komponenten Du verbauen willst?
D: Die Skizze entstand in den ersten Tagen in der Werkstatt. Da musste ich schon ziemlich genau wissen was ich will, da es natürlich einen großen Unterschied macht ob man ein Rennrad oder ein Reiserad baut.
Aber bevor wir mit dem Entwerfen begonnen haben konnte ich unterschiedliche Räder ausprobieren und auf einem verstellbaren Fahrrad-Dummy auf die Suche nach meiner gewünschten Sitzposition gehen. Erst dann begannen wir zu zeichnen – das geschah übrigens mit Bleistift und Papier im Maßstab 1:1 und war wohl der prägendste Teil des ganzen Seminars. Es ist großartig wie vor einem ein neues Fahrrad entsteht und sämtliche Überlegungen zum ersten Mal sichtbar werden.
Die Ausstattung hab ich mir schon vor dem Kurs überlegt. Auf jeden Fall wollte ich eine Nabenschaltung und da das Rad tourentauglich sein sollte gab es an der Rohloff-Schaltung keinen Weg vorbei. Ansonsten wollte ich die Komponenten einfach halten – mir wurde im Kurs bewusst wie konservativ ich bei der Ausstattung eines Fahrrad bin. Während andere mit Riemenantrieb, elektrischen Schaltungen und Federgabeln experimentierten – Scheibenbremsen scheinen ohnehin schon Pflicht zu sein – sinnierte ich darüber ob ich einen Radständer montieren möchte oder nicht.
TRV: Die 26“ Laufräder und die Lenkstange fallen an Deinem Rad als erstes auf. Warum 26“ und warum kein Rennradlenker?
D: Die Entscheidung war einfach. Da ich schon ein wirklich tolles Fahrrad mit 28″-Reifen und Rennlenker habe, wollte ich bei diesem möglichst viel anders machen. Also wenn eine „entweder-oder-Entscheidung“ anstand musste ich nur kurz überlegen was ich schon habe. Weitere Kriterien waren, dass es möglichst einfach aber vielseitig sein sollte – ich wollte einen Kompromiss finden, der möglichst viele Bedürfnisse und Anforderungen abdeckt.
Die 26″ Laufräder waren mir aber auch deshalb ein Anliegen, da die Fahrradindustrie momentan wieder einmal der Meinung ist, das Rad neu erfinden zu müssen und Jahr für Jahr neue Erkenntnisse präsentiert welche Laufradgröße die wohl bessere ist. Diese Diskussion dient in meinen Augen ausschließlich dazu neue Kundennachfrage zu kreieren. Ich wollte diese Diskussion umgehen und habe mich auch deshalb für 26″ entschieden. Darüber hinaus sind die tatsächlichen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Reifenmaßen wirklich marginal. Da spielt die Geometrie des Rahmens eine viel wesentlichere Rolle.
TRV: Was zeichnet deinen Rahmen gegenüber anderen aus?
D: Spätestens auf den zweiten Blick fällt das relativ sehr lange Steuerrohr auf. Auch der Steuerrohrwinkel ist recht steil und erinnert mehr an ein Bahnrad als an ein Tourenrad. Beides kann man wahrscheinlich an keinem Rad von der Stange finden und ergab sich v.a. aus meiner gewünschten Sitzposition und Lenkgeometrie.
Wie schon angesprochen wollte ich aufrechter sitzen als auf meinen bisherigen Rädern. Kombiniert mit meiner Körpergröße und den kleineren Laufrädern ergibt sich so das lange Steuerrohr. Da ich auch ein dynamisches Fahrverhalten erreichen wollte wählte ich den steilen Steuerrohrwinkel. Das ist zwar untypisch für ein Tourenrad aber ich bin auch viel mit meinem Brompton unterwegs und ich hab die direkte Lenkung sehr zu schätzen gelernt – ein ähnliches Lenkverhalten hab ich mir schon immer auch bei einem großen Rad gewünscht.
TRV: Wie läuft der Rahmenbau in der Werkstatt konkret ab? Wie lange dauert es, was kann man an einem Tag schaffen? Geht es um Präzision oder um Kraft?
D: Wie lang es dauert hängt natürlich von den eigenen Fähigkeiten und dem zur Verfügung stehenden Materialien und Werkzeug ab. Kraft braucht man keine sofern man das richtige Werkzeug hat.
Nur für das Bauen des Rahmens hab ich 8 Tage benötigt während Stefans Rekord für einen gemufften Singlespeed-Rahmen bei 8 Stunden liegt. Wir haben aber kaum eine Gelegenheit ausgelassen um, bei einer Tasse Kaffee, über Details zu plaudern oder in den unzähligen Fahrradpublikationen zu blättern, die in der Werkstatt rumlagen.
Die meiste Zeit nimmt eigentlich das Vorbereiten der Rohre bzw. Nachbearbeiten der Lötstellen in Anspruch. Die Rohre müssen alle gesäubert, abgelängt und auf Gehrung gefräst werden – ohne Erfahrung habe ich mich Millimeter für Millimeter herangetastet und oft ein und das selben Rohr 4, 5 Mal in den Fräser eingespannt bis es die richtige Länge hatte. Das Löten selbst ist relativ schnell erledigt aber im Anschluss nimmt man Feile und Schleifpapier in die Hand und versucht die Übergänge zwischen den Rohren sauber hinzubekommen und das dauert eben seine Zeit.
TRV: Musstest Du bei der Umsetzung Kompromisse machen, oder deine Planungen spontan adaptieren?
D: Es lief fast alles nach Plan; nur die Gabel war dann doch ein kleiner Kompromiss da nicht das richtige Material lagernd war. Den Rahmen hab ich im fillet-braze Verfahren gelötet – bei dieser Variante des Lötens wird sehr viel Lot aufgetragen und die Lotstellen am Ende verschliffen so dass die Rohre gleichmäßig ineinander übergehen. Weiters hab ich bi- bzw. querovale Rohre mit großem Durchmesser verwendet. Der Rahmen ist also massiv und schreit förmlich nach einer genau so massiven Uni-Crown-Gabel – doch genau das war dann leider nicht möglich. So wird der massige Rahmen durch eine zierliche und gemuffte Gabel kontrastiert – zumindest die Muffen hab ich mit dem Dremel noch nachbearbeitet dass sie nicht ganz so filigran wirken.
TRV: In welche Fehler-Fallen kann man bei einem solchen Projekt tappen?
D: Fehler-Quellen gibt es zur Genüge. Während des ganzen Kurses sind uns immer wieder Negativ-Beispiele präsentiert worden – wir haben also relativ bald ein Gespür dafür bekommen wo es heikel werden kann. Allergrößte Bedeutung hat natürlich der Entwurf – die Maße müssen stimmen und es darf beim Montieren zu keinen bösen Überraschungen kommen: Fußfreiheit, Tretlagerhöhe, Platz für Schutzbleche und andere Anbauteile müssen eingeplant werden.
Da wir das Rad im Maßstab 1:1 gezeichnet hatten, konnten wir den Rahmen oder Teile davon in jeder Phase zur Kontrolle an die Zeichnung halten. Das half größere Fehler zu vermeiden – zumindest in der Geometrie.
Passen die Proportionen, muss natürlich beim handwerklichen Teil noch alles klappen. Wir haben mit guten Rohrsätzen gearbeitet die unterschiedliche Wandstärken besitzen und an den dünnsten Stellen nur knapp einen halben Millimeter dick sind – hält man die Flamme beim Löten also zu lange auf den selben Punkt schädigt man umgehend das Material. Auch beim Verschleifen der Lötstellen ist Vorsicht angesagt, denn es hätte fatale Folgen, wenn man vor lauter schleifen vergisst, wie dünn das Material ist.
TRV: Kannst und willst Du mit Deiner Erfahrung auch für andere Rahmen bauen?
D: Ich will auf jeden Fall wieder einen Rahmen bauen und bin auch optimistisch das ich es hinkriegen würde – auch wenn es vielleicht noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Das große Problem ist aber die Werkstatt. Man braucht Platz und v.a. viele Spezialwerkzeuge die nicht ganz billig sind. Ich bin im Moment auf der Suche und überlege wie ich mit dem Rahmenbau weitermachen kann.
TRV: Was würdest Du anderen raten, die auch den Wunsch hegen sich selber einen Rahmen zu bauen?
D: Geld sparen und sich bewusst darüber werden, dass es nicht nur positives hat wenn man weiß womit man unterwegs ist – ich frag mich hin und wieder ob überall genug Lot geflossen ist oder ob ich an der einen oder anderen Stelle nicht zu viel weggeschliffen hab.
TRV: Zum Abschluss: was wird Dein erstes großes Ziel mit Deinem neuen Rad sein, wann geht’s los?
D: Ich fahre jedes Jahr dem Frühling entgegen – Ende März geht es nach Istrien und ich bin schon mehr als gespannt wie sich das Rad auf einer längeren Tour anfühlt, welche neuen Perspektiven es mir ermöglicht und ob es den Schotterpisten standhält.
(Galerie: anklicken zum vergrößern)
das Interview hat David von tweedride.at geführt
Fotos: Dominik
Weiterführende Links:
http://fahrradbaustolz.ch/de/blog